Im alten Bahnhof von Gau-Odernheim, eingebettet in die sanften Hügel des rheinhessischen Weinlandes, arbeitet die Buchbindermeisterin Christine Merkel-Köppchen seit mehr als 20 Jahren mit ihrem Team, in der Buchwerkstatt. Und die hat viel zu bieten: Buchbindungen, Reparaturen, Bücher als kunsthandwerkliche Unikate, Prägearbeiten, limitierte, handgebundene Kleinauflagen, Goldschnitte für Bücher und Restaurierungsarbeiten. Das größte Buch, das die Buchwerkstatt je gebunden hat, war übrigens 2,40 Meter hoch und (aufgeschlagen) 3,20 Meter breit: ein Bildband über die Gemeinde Nierstein:
Christine Merkel-Köppchen mit dem Riesenbuch der Gemeinde Nierstein © SAMPHOTO – STEFAN F. SAEMMER www.samphoto.de
Frau Merkel-Köppchen, seit wann üben Sie Ihr Handwerk schon aus? Wie war Ihr Ausbildungsweg?
1980 habe ich in Trier mit einer klassischen, dualen Handwerksausbildung den Beruf der Buchbinderin erlernt. Danach folgte ein Grafikstudium in Mainz, sowie sechs Wander- und Gesellenjahre als Buchbinderin in verschiedenen bundesdeutschen Buchbindereien. Nach erfolgreicher Prüfung zur Buchbindermeisterin gründete ich 1994 meine eigene Handbuchbinderei und Buchmanufaktur.
Buchbinderin Christine Merkel-Köppchen, Inhaberin der Buchwerkstatt,
Beschreiben Sie doch bitte einmal genau, was Sie beruflich tun…
Mit dem wichtigsten Werkzeug des Handbuchbinders, dem aus Knochen hergestellten Falzbein, werden große Papierblätter gefalzt und anschließend nach bestimmter Technik im Knick mit Nadel und Leinenfaden zu einem dicken Buch zusammengeheftet. Aus Ziegenleder, gewebten Leinenstoffen oder Kalbspergamenten werden mehrere Millimeter dicke Pappen beklebt und auf diese Weise zum Buchumschlag zusammengehängt. Bevor der Umschlag um das geheftete Buch herumgeklebt wird, werden Buchstaben in Gold- oder Silberfarbe auf den Vorderdeckel als Beschriftung aufgepresst.
Können Sie mit Ihrem Handwerk wirklich kreativ sein? In welcher Form?
Das Buchbinderhandwerk eignet sich gut, um kreativ zu sein. Kundenwunsch, Materialeigenschaften, Farb- und Stilvorgaben, Herstellungstechniken, sowie Wirtschaftlichkeit sind Aspekte, die idealerweise ein kreativer Vorgang sind und ein Produkt von höchster Qualität ergeben. Besonders spannend finde ich es, die Produktionsweise von einem Buch-Unikat zu kleinen Buch-Serien weiterzuentwickeln und Wirtschaftlichkeit und Qualität dennoch zu garantieren.
Können Sie bitte den Begriff „Handwerk“ definieren – ganz subjektiv, auf Sie und Ihre Arbeit bezogen?
Handwerk bedeutet, mit denkenden Händen zu arbeiten.
Was lieben Sie an Ihrer beruflichen Tätigkeit am meisten? Und was an den Produkten, die Sie fertigen?
Der Bogen vom ersten Buch-Kunden-Kontakt in meiner Werkstatt über das Entwickeln einer Herstellungslösung, das Organisieren der benötigten Materialien, das Herstellen des Produktes bis schließlich zum Überreichen des Buches an den Kunden ist ein begreif-barer Prozess, der ausgesprochen sinngebend ist. Die Produkte sind alle einzigartig und kostbar.
Was ist aus Ihrer Sicht das Gegenteil von „Handwerk“?
Alle Produktionsweisen, die ausschließlich Maschinen-basiert sind.
Wenn Kunden bei Ihnen etwas in Auftrag geben wollen, müssen Sie da vorher viel erklären? Entsteht durch solche Kundengespräche im Vorfeld eine besondere Kunden-Bindung?
Das Kundengespräch ist ein unerlässlicher Teil des Auftrages. Erst durch die Äußerung des Auftraggebers (persönlich/telefonisch oder per Brief/Email) entwickelt sich das „Ziel“. Dann erst kann der Weg festgelegt werden, wie das Produkt entstehen soll. Manche Kunden überlassen mir als Meisterin fast alle Entscheidungen zum Produkt, manche Kunden geben schon zu Beginn sehr feinteilige Vorgaben.
Beratungsgespräch ud Vorführung der Buchwerkstatt während der Ausstellung auf einem Handwerkermarkt.
Wenn Sie für sich und Ihr Handwerk einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?
Die überbordende Bürokratie abschaffen – selbst kleinste Handwerksbetriebe werden mit einer Unmenge an unnötigen Verwaltungsaufgaben belastet. Das kostet nicht nur Geld, sondern vor allem Zeit – die Zeit, die eine Meisterin viel besser in die Qualität ihres Produktes stecken sollte.
Und ausgezeichnet ist sie außerdem…. 2010 von Karl Josef Wirges, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen als „Qualitätsmeister im Handwerk“ prämiert.
Vielen Dank, Christine Merkel-Köppchen!
Mehr Porträts kreativer Handwerker/innen finden Sie übrigens hier.
Und wenn Sie mich brauchen: Ich bin Ihre kreative Texterin, Buch-Hebamme, Lektorin und mehr. Kontakt maria@texthandwerkerin.de