Kennen Sie die Bemerkung: „gewogen und für zu leicht befunden“? Sie wird heute oft im Bezug auf juristische Urteile verwendet – vermutlich wegen der Waage als Symbol der Justitia. Aber diese Redensart hat einen ganz anderen Hintergrund – ihre Wurzeln liegen in der historischen Handwerkssprache. Sie bezog sich ursprünglich auf die Bäcker, die ihre Waren an Marktständen verkauften. Da kam es häufig zu Auseinandersetzungen, wenn Kunden meinten, die Bäcker hätten seine Brötchen zu klein gemacht. Ein andrer Spruch besagte: Wenn Bäcker Schuster wären, würden alle Schuhe immer drücken – weil sie zu klein sind. Wurde ein Bäcker dabei erwischt, dass sein Brot nicht dem vorgegebenen Gewicht entsprach, wurde er gern mal „an den Pranger“ gestellt, erhielt eine Zeit lang „Backverbot“, oder ihm wurden gar die Ohren abgeschnitten. Richtig heftig ging es zum Beispiel in Regensburg zu, wenn ein Bäcker „zu klein buk“: Da gab es einen „Schnell-Galgen“, auch „Schupfe“ genannt. An den wurde der arme Bäcker dann gebunden – und wahlweise in die Donau oder eine Kotgrube geworfen.
Oder wissen Sie, was ein „Krauter“ war? Nein, das hat nichts mit dem Rauchen zu tun… War aber – natürlich – auch ein Schimpfwort. Damit bezeichneten die Lehrlinge und Gesellen einen besonders geizigen Handwerksmeister, beziehungsweise dessen Frau: Frau Meisterin war nämlich per Zunftordnung in allen Gewerken dazu verpflichtet, den Lehrlingen ein Bett, frische Wäsche und regelmäßig mehr oder weniger gutes Essen zukommen zu lassen. War sie aber geizig – wahrscheinlich eher: Gab ihr der Gatte Handwerksmeister zu wenig Haushaltsgeld – kam oft Tag für Tag nur billiges Kraut auf den Tisch.
Streitgetöse
Viele Handwerker beschimpften sich untereinander unablässig. Max Rumpf spricht in seinem Buch „Deutsches Handwerkerleben“ von regelrechtem „Streitgetöse“, vor allem unter Viehhändlern, Metzgern, Fischern und Bäckern. Und noch eine Redensart könnte daher kommen: Wenn Metzger „alles Essbare am Tier loswerden“ wollten und mit dem Fleisch noch „viel Knochen und Gekröse“ verkauften, mussten das die Kunden „in Kauf nehmen“ – oder wehrten sich eben mit Anzeigen bei den Zunftmeistern dagegen – und dann drohte schon wieder eine drastische Strafe.
Ganz klar ist der noch heute bekannte Spruch „jemandem das Handwerk legen“ eine unfreundliche Sache, mehr noch: eine wirklich schwere Strafe. Die Aufforderung, das Handwerk niederzulegen, konnte als drastische Strafmaßnahme sehr real sein. Oft ging es um nicht eingehaltene Gewichts- oder Mengenangaben, um die Zahl der Längs- und Querfäden im gewebten Stoff oder um Fleischqualität. Wurde beispielsweise ein Metzger mit dem „dicken Daumen“ auf der Waage erwischt, oder der „Fadenzähler“ stellte fest, dass die Zahl der Fäden des frisch gewebten Tuchs ungleichmäßig war, konnte die dann von den jeweiligen Zunftmeistern ausgesprochene Strafe durchaus darin bestehen, dass der Handwerker seine Arbeit „niederlegen“ musste. Damit starb natürlich das Handwerk an sich noch lange aus. Egal, ob Bäcker, Metzger oder Leineweber: an Nachwuchs fehlte es nirgends.
Aussterbende Handwerksberufe
Das sieht heute anders aus, schlimmer: Immer wieder sterben ganze Handwerksberufe völlig aus, werden nicht mehr ausgebildet. Nur, weil sie scheinbar unrentabel sind? Weil sie unbeliebt sind? Unrentabel? Neid, Missgunst oder scheinbare Unredlichkeit sind heute sicher keine Gründe mehr. Welche aber dann?
Ich würde das gern verstehen. Helfen Sie mir? Warum „sterben“ Handwerksberufe heute?