Goldschmiede-Arbeiten sind ja ganz wunderbar, um sie samt ihrer Macher/innen als Handwerkerporträt in Text und Bild zu zeigen. Darum freue ich mich sehr, heute mit Goldschmiedemeisterin Heike Motyl eine weitere kreative Goldschmiedin vorstellen zu können. In ihrem Online-Shop „ringlein“ zeigt sie ihre kleinen, feinen Schmuckserien – die seit neuestem auch komplett online erhältlich sind.
Seit wann üben Sie ihr Handwerk denn schon aus? Was ist Ihre Ausbildung?
Die Ausbildung begonnen habe ich nach dem Abitur 1982. Ganz klassisch, mit Gesellenprüfung und abgelegter Meisterprüfung 1992. Ich habe immer im Betrieb der Eltern gearbeitet, den ich dann 1994 übernommen und über 20 Jahre geführt habe. 2016 habe ich den Betrieb aus mehreren Gründen geschlossen und arbeite nun in eigener Werkstatt weiter mit meinem Online-Shop.
Foto: Heike Motyl
Die schönen Dinge im Leben….
Stellen Sie sich bitte vor, Sie müssten einem Blinden beschreiben was Sie beruflich tun…
Mit meinem Beruf erstellt man die schönen Dinge im Leben, hübsche kleine Dinge namens Schmuck. Das Material kann verschiedenster Art sein, unterschiedlich verarbeitet und bearbeitet, mit andersartiger Haptik. Die angefertigten Stücke schmiegen sich an, gewinnen durch Gewicht, Größe, Plastizität an Ausdruck. Sie müssen zum Schmuckträger passen, denn dann trägt man seine Schmuck-Stücke eigentlich ständig.
Foto: Heike Motyl
Können Sie in Ihrem Handwerk wirklich kreativ sein? Wenn ja, in welcher Form?
Durch die berufliche Veränderung habe ich endlich erheblich mehr Möglichkeiten, meine Kreativität auszuleben. Ich kann ausprobieren entwerfen, verwerfen, neu anfangen.
Damit stehe ich zwar erst am Anfang; nur durch die leichtere Zeiteinteilung kann ich mich länger am Stück mit allem befassen. Neue Themen stehen schon bereit für die Umsetzung, zeichnen/entwerfen kann ich wieder und habe auch die Muße dafür. Mit einem Ladenlokal, den damit verbundenen Öffnungszeiten, Pflichten, Kundenberatungen ist das kaum noch möglich gewesen.
„Ich präge gerne alles selbst“
Können Sie mir bitte den Begriff „Handwerk“ definieren – ganz subjektiv, auf Sie und Ihre Arbeit bezogen?
Handwerk ist für mich gleich der Hände Werk. Etwas Eigenes erschaffen, vom Anfang bis zum Ende, vom Entwurf bis zum fertigen Stück.
Was lieben Sie an Ihrer beruflichen Tätigkeit am meisten? Und was an den Produkten, die Sie fertigen?
Der Umgang mit den Materialien, das Zusammenstellen, auch meine eigenen handwerklichen Möglichkeiten zu kennen und trotzdem immer etwas Eigenständiges herzustellen.
Das Ausleben meiner Geschicklichkeit in Form eines angefertigten Schmuckstücks, egal ob groß oder klein, wertvoll oder nicht. Ein ganz wichtiger Faktor ist für mich aber auch das Drumherum, das Gesamtpaket, von der Verpackung, über Website und Shop, Logo, die Social-Media-Auftritte, Fotos. Ich präge gerne alles selbst.
Was ist aus Ihrer Sicht das Gegenteil von „Handwerk“?
In meinem Handwerk? Ganz spontan: Langeweile, Einerlei, Uniformität.
Foto: Heike Motyl
Warum wird Handwerk mit Luxus und nicht mit Notwendigkeit gleichgesetzt?
Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Ihren Produkten/Ihren Produktions-Wegen und den nicht-handwerklichen Fertigungen, wo steht das Handwerk für Sie heute?
Eine ganz schwierige Frage. Meine Erfahrung ist, dass das Handwerk und die handwerkliche Fertigung keinen Stellenwert mehr besitzen. Den Menschen ist nicht mehr klar, wie viel Arbeit, Zeit und Mühe hinter einer Anfertigung, eines Einzelstücks stehen. Sie kennen das nicht mehr – durch die Veränderungen, auch der Digitalisierung. Damit kann Handwerk nicht mehr honoriert werden, es geht fast alles nur noch über den Preis.
Ich weiß nicht, wie viel Kunden ich beraten habe, Entwürfe und Kostenvoranschläge gemacht und am Ende nie eine Antwort erhalten habe. Wären nicht auch nette Kunden mit Aufträgen dabei gewesen, es wäre nur noch frustrierend. Es gibt in meiner Branche auch industrielle Fertigungsweisen, die neue, kreative Möglichkeiten fördern. Die gefallen mir natürlich. Für extrem modische und kurzlebige Schmuckstücke ist die serienmäßige Fertigung sicherlich ein Muss. Da kommt dann wieder der Preisfaktor ins Spiel.
Foto: Heike Motyl
Finden Sie, dass es im Deutschland von heute noch genügend handwerkliche Angebote gibt?
Nein, es gibt so viele alte Berufe die aussterben, Pinselmacher, Feilenmacher, Modistinnen… da kommt wieder der Preis, aber auch die Wertigkeit des Produkts ins Spiel, aber auch die Fragen: „Was kann ich mit dem Beruf erreichen? Kann ich davon leben?“ Handwerk ist eben kein angesagtes Ausbildungsziel mehr, durch die geringen Verdienstmöglichkeiten und Aufstiegschancen, die dreckige Hände, körperliche Anstrengungen… Dass das Handwerk und besonders die kreativen Berufe einen schlechteren Stand haben, kann ich auch den Handwerkskammern vorwerfen. Mit der Novellierung der Handwerksordnung ist für eine selbstständige Tätigkeit in meinem Beruf zum Beispiel keine Meisterprüfung mehr vorgeschrieben. Dadurch wurde das Niveau eindeutig gesenkt. Aber es gibt eben auch immer Ausnahmen…
Foto: Heike Motyl
Wenn Sie für sich und Ihr Handwerk einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?
Mehr Akzeptanz. Do-it-yourself-Produkte sind zwar gefragt und angesagt, aber warum wird es immer schwerer, vom Handwerk leben zu können, warum wird Handwerk mit LUXUS und nicht mit Notwendigkeit gleichgesetzt?
Mehr Porträts kreativer Handwerker/innen finden Sie übrigens hier.
Und wenn Sie mich brauchen: Ich bin Ihre kreative Texterin, Buch-Hebamme, Lektorin und mehr. Kontakt maria@texthandwerkerin.de