Sif Dagmar Dornheim ist mit Papieresteur selbstständige Papier- und Buchrestauratorin. 1992 hat sie mit ihrer Ausbildung begonnen, zuerst, indem sie das Buchbinden und Restaurieren am Guildford College of Technology in England erlernte. Nach verschiedenen Praktika in Restaurierungswerkstätten nahm sie das Studium der Restaurierung an der Fachhochschule Köln auf, das sie 1999 mit einem Diplom abschloss.
Alterungsprozesse verlangsamen
„Wenn mein Lebenslauf noch weiter interessant ist, können Sie ihn gern hier nachlesen“, schrieb sie mir. Ja, fand ich interessant, hab ich getan. Was mich daran wirklich beeindruckte, war ihre Beschreibung der ständigen Verknüpfung zwischen Altem und Neuem. Ihren Beruf machen „traditionelle Methoden wie das Prägen mit Blattgold und viele Arten von Schnittverzierungen, das Buchbeschneiden mit Buchhobel und das Anfertigen von handgestochenen Kapitalen aus“, schreibt sie da. Allerdings: Die müssen „immer in Verbindung mit physikalisch-chemischem Wissen um die Materialien und vor dem Hintergrund der (Kunst-)Geschichte des Objekts“ gesehen werden – also besteht die Papier- und Buchrestauration in einem ständigen Schulterschluss zwischen alten und neuen Wissenschaften wie Handwerkstechniken.
Ich bitte sie, einem Blinden beschreiben was sie beruflich tut, und sie antwortet: „Ich restauriere, also ich mache Kaputtes wieder ganz, ergänze, was fehlt, versuche den Alterungsprozess meiner Papiere zu verlangsamen und Bücher wieder benutzbar zu machen. Wenn das Papier in den Händen zerbröselt, versuche ich es wieder anfassbar zu machen. Wenn die Seiten beim Blättern eines Buches sich lösen, versuche ich sie wieder zu befestigen.“
Kreativität, Improvisation, Fingerspitzengefühl und Überraschungen
Als ich sie frage, wie kreativ ihre Arbeit sei, antwortet sie mir: „Kreativität ist Auslegungssache. Wirklich kreativ ist bei mir die Lösungsfindung. Oft kann bei alten Dingen nicht nach Plan und Lehrbuch vorgegangen werden. Man muss improvisieren, sich Methoden ausdenken, die vielleicht besser funktionieren können. Teure Maschinen hat man oft nicht in der Nähe, so dass man dann kreativ eine Lösung finden muss. Ansonsten: Wenn etwas fehlt wird meist nicht nachgemalt. Es wird neutral ergänzt.“
Und weiter erzählt sie, dass die handwerkliche Arbeit in ihrem Beruf immer mit Fingerspitzengefühl einher gehen muss: „Man muss die traditionellen Herstellungsprozesse kennen, also das Handwerk im Laufe der Geschichte, damit man die alten Objekte und deren Verhalten bei der Restaurierung einschätzen kann. Mein Handwerk ist es zu einem geringen Teil natürlich auch, etwaige Fehler der Handwerker zu korrigieren. Ansonsten sehe ich meine Hauptaufgabe darin, die Werke anderer, wohl meist bereits verstorbener Handwerker zu erhalten. Das ist natürlich meist Handarbeit!“
Auf die Frage, was sie an Ihrer beruflichen Tätigkeit am meisten liebt, kommt die recht spontane Antwort: „Wenn alles klappt! Man weiß ja nicht, welche Geschichten hinter einem Buch oder einer Grafik stecken und wie sie im Laufe der Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte gelagert waren. Da erlebt man oft Überraschungen. Meine Arbeit ist daher selten eintönig und stellt mich immer wieder vor neue Herausforderungen.
Die Beziehung zu Kunden
Dornheim erzählt: „Meistens bekomme ich Grafiken mit dem Wunsch, sie zu reinigen, also ‚wieder schön zu machen‘. Wie das geht, ist den meisten Kunden wohl gar nicht so wichtig. Ich erkläre natürlich grob, was zu machen ist. Eine besondere Bindung kann allerdings dann entstehen, wenn dem Kunden das Stück wirklich am Herzen liegt und er sich schon auf die Restaurierung freut.“
Die Entwicklung des Handwerks
Wie hat sich das Handwerk im allgemeinen aus Ihrer Sicht im Lauf der Zeit verändert? „Ich denke, dass das Angebot im Laufe der Zeit schon zurückgegangen ist. Ein Grund dafür ist natürlich die günstige maschinelle Produktion. Viele kaufen lieber ein Billy-Regal als ein handgefertigtes vom Tischler. Einige gehen in Baumärkte und tischlern dann selbst. In einigen Bereichen hat vielleicht auch eine Spezialisierung stattgefunden. Manchmal ist es aber schwer einen Fachmann in der Nähe zu finden. Dank Internet hat man heute ja Zugang zu vielen Informationen und dadurch findet man ab und an auch interessante Leute mit interessanten Berufen und Handwerken. Und man hat natürlich auch dank Internet die Möglichkeit sich zumindest deutschlandweit zu vermarkten. Inwieweit das für das Handwerk sinnvoll ist, bleibt jedem selbst überlassen.“
Mehr Porträts kreativer Handwerker/innen finden Sie übrigens hier.
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